Wer sich mit dem Thema Unternehmensbeteiligungen oder Unternehmensnachfolge beschäftigt, kommt irgendwann zwangsläufig mit der Thematik in Berührung: Rip Deals.
Rip Deal?
Ein Rip Deal oder auch Vorauszahlungsbetrug funktioniert so, dass die Täter als vermeintliche Käufer, Investoren oder Darlehensgeber für eine werthaltige Transaktion auftreten, beispielsweise im Rahmen einer Finanzierung eines Unternehmenskaufs oder einer Unternehmensbeteiligung. Es wurden aber auch bereits ähnliche Fälle beispielsweise bei Immobilientransaktionen dokumentiert.
Da wir Unternehmen bei Transaktionen wie beispielsweise dem vollständigen Verkauf oder der Einwerbung von Beteiligungskapital begleiten und auch noch einen eigenen Unternehmensmarkt betreiben, melden sich von Zeit zu Zeit eben jene Zeitgenossen, die uns eigentlich nur die Zeit stehlen indem sie vorgeben, an der Finanzierung von derartigen Transaktionen interessiert zu sein.
Der Betrug findet in mehreren Varianten statt:
- Ein Teil des Geldes soll in Bargeld bezahlt werden. Dazu soll eine Fremdwährung in Euro oder große gegen kleine Scheine getauscht werden. Dabei wird dem Betrugsopfer Falschgeld untergejubelt.
- Es sind Transaktionsgebühren zu zahlen oder Sicherheiten in Form eines größeren Geldbetrags zu hinterlegen. Nach Zahlung des entsprechenden Betrags sind Geld und „Investor“ weg.
Der vorliegende Artikel beschreibt einen Fall des versuchten Rip Deals in der bargeldlosen Variante.
Seriöse und unseriöse Investoren
Ein jeder sollte sich einmal fragen, ob er – vorausgesetzt, es ist reichlich vorhanden – eine große Summe Geld ohne jegliche Prüfung zu geradezu lächerlichen Konditionen an wildfremde Menschen verleihen würde. Nicht? Na, dann haben wir ja bereits ein wichtiges Kriterium identifiziert. Seriöse Investoren wie Business Angels, Family Offices oder Venture Capital Gesellschaften werden sich eingehend mit dem entsprechenden Projekt beschäftigen. Wie bereits an anderer Stelle beschrieben werden sie sich intensiv mit dem Businessplan, den Gründern und dem Vorhaben beschäftigen. es wird Ortstermine geben, man wird sich persönlich kennen lernen und es wird auch ein umfangreiches Vertragswerk geben.
Gibt es das alles nicht, dann sollte man stutzig werden. So wie im vorliegenden Fall.
Darlehen leicht gemacht – so einfach ist es nur beim Rip Dealer
Im vorliegenden Fall ist es so, dass unsere Mandanten auch in Eigenregie über Anzeigen in einschlägigen Portalen nach einem Investor suchen. Und in der Tat: Es hatte sich mal wieder jemand bei ihnen gemeldet. Also schrieben sie mich an:
… und wieder ein „Investoren-Vertreter“, der sich bei uns gemeldet hat …
Ja, die vielen Internet-Portale machen den Rip Dealern die Kontaktaufnahme leicht. Also wurde ich dem Rip Dealer angekündigt und ich schrieb ihm eine E-Mail. Denn wir sind ja immer sehr neugierig, wer sich so alles meldet und möchten ja auch fundiert hier im jhmc Magazin darüber berichten. 😉
Meine Mandanten sprachen sich dafür aus, dem „Investorenvertreter“ sogar ihren Businessplan zur Verfügung zu stellen. Also machte ich mich ans Werk. Kurz darauf erhielt ich die Antwort:
Sehr geehrter Herr Haupt,
Ich bedanke mich für Ihre schnelle Mail.
Gerne übersende ich Ihnen die Konditionen meiner Investoren.
Die Konditionen aus der Türkei:
Invest Summe: ab 300 000 Euro/USD bis 50 000 000
Zinssatz: 3,208% bis 4,301% p.a je nach Invest Summe
Laufzeit: 2 bis 15 Jahren weiter 3 Jahre Verlängerung verbleiben offen insgesamt 18 Jahre.
Tilgung: Laut Vereinbarung
Sicherheiten: Immobilien, Aktien, Fonds, MTN, LTN, oder ein Depot von den Zinsen bei einem Treuhänder für 6 Monate bis 12 Monate.
Abwicklung: Wird von einem Namenhaftem Treuhänder/Notar/Anwalt verwaltet und begleitet, Darlehensverträge werden beim Treuhänder/Anwalt/Notar signiert und Beglaubigt so das beide Parteien auf der sicheren Seite sind.
Was wir für die Überprüfung benötigen ist folgendes:
1) Alle Details über das Projekt ( wenn vorhanden ein Business plan)
2) Alle Informationen über die Firma/Company.
3) Eine Ausweiskopie oder ID Card Copy des Investnehmers.Soweit wir diese Daten haben benötigen wir 3-4 Werktage um diese zu überprüfen, erst dann können wir bescheid geben ob das Projekt für unsere Investoren in frage kommen würde!!!
Wenn Sie eine Ja erhalten werden wir uns mit Ihnen unverbindlich in Telefonischen Kontakt setzten, innerhalb der kommenden 48 Stunden erhalten Sie dann von uns ein Darlehens Angebot welches Sie nicht annehmen müssen falls es Ihnen nicht passt.Für weitere Informationen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung vorerst via Mail.
Bis dahin verbleibe ich gerne
Mit freundlichen Grüßen
Oliveira Cunha Antonio
Ps. Ich habe Ihr Projekt weiter geleitet werde Ihnen diese Woche bescheid geben soweit ich eine Antwort von dem Investor erhalten habe.
Überraschend einfach – überraschend schnell
Na, das ging ja richtig schnell. Auch ansonsten war man ruckzuck bei der Sache. Zwei oder drei tilgungsfreie Jahre? Klar! Alles kein Problem. Weitergehende Prüfung? Wozu das denn? Im Gegenteil: Ein Darlehen über zwei Millionen Euro ist ohne weiteres und ohne nähere Prüfung jederzeit möglich. Und auch die Konditionen für das angebliche Risikokapital sind geradezu verlockend.
Doch genau da setzen die Rip Dealer ja auch den Köder an: Mit einem geradezu unwiderstehlichen Angebot soll der Gründer oder Verkäufer angelockt werden, um ihn dann über den Tisch zu ziehen.
Entsprechend „komplex“ ist dann auch der übermittelte „Darlehensvertrag“. Ganz ohne Sicherheiten und einfach so nach ein wenig E-Mail-Verkehr kam der nämlich ins Haus geflattert. Der Hintergrund ist einfach erklärt: Denn hier geht es ja gar nicht um ein Darlehen. Hier geht es darum, dass man noch einen Betrag von 3,5% – 5% der Darlehenssumme zur Sicherheit auf dem Konto eines Treuhänders in der Türkei hinterlegen soll.
Den angeblichen Darlehensvertrag haben wir hier als pdf-Kopie zum Download hinterlegt.
Darlehen leicht gemacht mit dem Rip Dealer
Ja, so einfach geht das. Einfach ganz nach Wunsch ankreuzen und schon kommt das Darlehen. Und der in der E-Mail sogenannte Herr Oliveira war auch ganz schön fleißig und sehr ungeduldig. Er rief mich mehrfach an, um die Sache auch schön am Laufen zu halten. Auch eine Provision hat er mir versprochen, denn auch ich sollte offenbar bei der Gier gepackt werden und dafür das Hirn ein wenig auf Sparflamme schalten – oder zumindest ein wenig kreativer bei der fachlichen Begleitung des Projektes sein.
Na ja, ein wenig Abwechslung im Büroalltag darf ja zwischendurch mal sein. Andere spielen zwischendurch Schiffe versenken, wir recherchieren derweil für unser jhmc Magazin. 😉
Der Grund dafür, weshalb Rip Dealer entweder wie im vorliegenden Fall gar nicht persönlich in Erscheinung treten oder zur Durchführung ihres Betrugs ins Ausland bitten ist übrigens auch schnell erklärt: Dies erschwert erstens die Rechtsverfolgung und zweitens wird der Betrugsbegriff in Deutschland etwas enger gefasst als in den meisten anderen Ländern. Beliebt sind deshalb im Falle persönlicher Kontaktaufnahmen auch Treffpunkte in Mailand oder Amsterdam.
Einmal überweisen, bitte!
Aber hier hatten wir es ja mit der bargeldlosen Variante des Rip Deals zu tun. Deshalb erhielten wir den Hinweis, dass der Investor erwarten würde, dass eine größere Summe als Sicherheit auf einem türkischen Konto hinterlegt würde.
Man muss sich das wirklich auf der Zunge zergehen lassen. Ein geradezu lächerlicher Darlehensvertrag wird von jemandem als MS-Word-Dokument durch die Gegend geschickt in der Erwartung, dass man ohne jemals irgendeinen der Protagonisten gesehen zu haben einen fünfstelligen Betrag auf ein türkisches Konto überweist. Und doch soll es jedes Jahr hunderte durch Rip Deals Geschädigte geben.
Die Alternative, nämlich die Stellung anderer möglicher Sicherheiten, ist für Rip Dealer schließlich nicht interessant. Interessant ist es, einen Dummen zu finden, der einfach mal so eben schnell einen Haufen Geld nach Pusemuckel überweist. Ein interessantes Geschäftsmodell, das ebenso lukrativ zu sein scheint wie die Bargeld-Variante des Rip Deals, bei der dem Opfer Falschgeld untergejubelt wird. Der „Umsatz“ der Rip Dealer wird seitens der Strafverfolgungsbehörden auf ca. 100 Mio. € jährlich europaweit geschätzt.
Im vorliegenden Fall sollten meine Mandanten also 60.000 € einfach so mal irgendwohin überweisen. Ja, und das haben die natürlich nicht getan, da weder meine Mandanten noch ich das jemals vorhatten. 😉
Hier ist noch ein weiteres Dokument, das mit wichtig-offiziellem Aussehen versucht, der ganzen Farce einen seriösen Anstrich zu geben.
Ein guter Rip Dealer gibt niemals auf
Ja, das ist jetzt natürlich dumm gelaufen für unseren Rip Dealer. Denn wir haben ihm Interesse vorgegaukelt, um an die entsprechenden „Verträge“ zu gelangen. Und das nur mit dem Ziel, die „Verträge“ hier zu veröffentlichen. Doch ein guter Rip Dealer gibt niemals auf. Und Herr „Oliveira“ (oder wie er sonst noch heißen mag) ist offensichtlich ein guter Rip Dealer. Er spricht übrigens auch wesentlich gewandter Deutsch, als er es schreibt. 😉
Herr Oliveira schrieb mir also:
Sehr geehrter Hr. Haupt,
Ich habe die Darlehens-Zusage ( siehe anhang) an den Herrn (Name des Mandanten) direkt via Mail zugesendet wie es mir gesagt worden ist von dem Investor.
Der Hr. (Name des Mandanten) hat mir geantwortet das er die 3% von der Invest-Summe nicht überweisen kann.
Ich denke das war ihm ja bewusst das er ein Depot beim Treuhänder hinterlegen soll oder??
Bitte rufen Sie mich an ich bin bis 22Uhr zu erreichen.Mit freundlichen Grüßen
Oliveira Cunha Antonio
Ich schrieb zurück, dass ich mit dem Mandanten erst noch sprechen müsse. Das hatte ich in anderer Sache am Folgetag tatsächlich getan und tatsächlich rief mich Herr Oliveira mittags bereits wieder an. Er ist übrigens vertrieblich recht gut geschult und um kein Argument verlegen. So führte er beispielsweise auf, dass im Falle eines Bankdarlehens ein Darlehensnehmer ja ebenfalls eine gewisse Summe Eigenkapital bereitstellen müsse, um ein Darlehen zu erhalten.
In der Tat. das ist so. Allerdings sollte dieses Eigenkapital i.d.R. auch mit in das Investitionsvorhaben fließen. Eine in Deutschland agierende Bank verfügt zudem über eine offizielle Zulassung durch die auch unter der Abkürzung BaFin bekannte Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht. Man kennt den Sitz der Bank und auch seine Kontaktperson. Eine Bank wird jemanden auf jeden Fall nicht auffordern, eine größere Menge Geld auf irgendein dubioses Konto zu überweisen. Und schon gar nicht wird eine Bank oder sonst ein Investor eine Finanzierungszusage ohne jedwede Prüfung machen.
Das macht nur ein Rip Dealer. 😉
Nachtrag vom 25.06.2013
Heute meldete sich ein Betrugsopfer unserer sauberen Rip-Dealer. Ein Schweizer Geschäftsmann wurde von dem angeblichen Herrn Oliveira um 16.000 € erleichtert.
Bildnachweis: Übermittelte Dokumente der Rip-Dealer & Pixabay CCO Public Domain