Im Rahmen eines MBI-Projektes stand eine Due-Diligence-Prüfung an. Wir vertraten die Käuferseite und hatten Zugang zum Datenraum beantragt, da unsere Mandanten nach der Analyse des vom die Verkäuferseite vertretenden M&A-Beraters erstellten Information Memorandum weiterhin an einem Kauf des Unternehmens interessiert waren.
Gemeinsam mit einem weiteren, auf Bilanzen und Steuern spezialisierten Berater sowie einem Vertreter eines interessierten Investors meldeten wir also einen Termin im Datenraum an. Dieser war nicht elektronisch, sondern physisch in den Räumen einer Düsseldorfer Anwaltskanzlei eingerichtet worden.
Im Vorfeld erhielten wir eine Zusammenstellung dessen, was wir im Datenraum vorfinden würden. Nun, diese Aufstellung war an sich nicht ungewöhnlich, denn sie enthielt die zu erwartenden Angaben: Demnach sollten uns unter anderem Bilanzen, Informationen zu Kunden- und Lieferantenstruktur, zu Pensionsverpflichtungen usw. vorgelegt werden.
Am vereinbarten Tag erschienen wir dann alle in der Düsseldorfer Anwaltskanzlei. Als wir den Datenraum betraten stockte uns fast der Atem: Zwei riesige Aktenschränke standen dort, vollgestopft mit Ordnern. Neben dem einen Aktenschrank stand noch ein Tisch mit weiteren fünf Ordnern, die offensichtlich nicht mehr in die Aktenschränke gepasst hatten.
Na, das sah ja nach richtig viel Arbeit aus! Ob wir das wohl an einem Tag schaffen konnten? Doch seltsam: In den beiden Aktenschränken waren lediglich Angaben zu Markenrechten. So konnten wir z.B. sehen, welche teils nicht mehr vom Target verwendeten Marken zu welcher Zeit in Timbuktu angemeldet worden waren. Interessant immerhin: Selbst völlig irrelevantes Zeugs konnte markenhistorisch bis in die Anfänge des Unternehmens verfolgt werden. Und das in etlichen Ländern, obwohl das Unternehmen fast ausschließlich in Deutschland aktiv ist.
Zu den restlichen, vorher angekündigten Informationen war dagegen nicht wirklich viel vorhanden. Doch halt! Sie erinnern sich vielleicht, liebe Leser. Richtig: Neben dem einen Aktenschrank befand sich ja noch ein Tisch mit fünf Aktenordnern. Und richtig: Da waren die Informationen, die wir suchten. Oder sollen wir sagen: Hier hätten sie sein müssen?
Wir schlugen die berühmten fünf Aktenordner auf und stellten fest, dass die angekündigten Informationen weitestgehend auch hier nicht vorhanden waren. Die angekündigten Bilanzen? Fehlanzeige. Informationen zu Kunden und Lieferanten? Allgemeines Gewäsch. Fazit: Ein teurer Tag mit Kunden, Beratern und einem Investorenvertreter völlig für die Katz!
Wir erteilten dem Vertreter des M&A-Beraters den Segen von Kloster Kamp (für die Nicht-Niederrheiner: Es setzte ein Donnerwetter). Schließlich erhielten wir die geforderten Informationen Tage später per PDF-Dokument via E-Mail übermittelt. Der Sinn und Zweck des Datenraums wurde so ad absurdum geführt.
Überhaupt ging der Vertreter des Beraters der Verkäuferseite teils sehr unsensibel vor. So war beispielsweise das zum Verkauf stehende Unternehmen bzw. das betreffende M&A-Projekt auch befreundeten Beratern bekannt. Unter anderem hatte der Berater des Verkäufers einen wilden Bieterwettbewerb für das Target vorgetäuscht. So ist dann ein wirklich interessierter Käufer aus dem Prozess ausgestiegen.
Überhaupt kam der Berater des Verkäufers zunächst daher, als handele es sich bei dem zum Verkauf stehenden Unternehmen um eine Perle der deutschen Industriekultur. In Wahrheit handelte es sich jedoch um einen Sanierungsfall. Und beim letzten Venture Capital Stammtisch in Düsseldorf berichtete uns ein Investorenvertreter von einem weiteren, ähnlichen Fall. Auch dort war das Information Memorandum des betreffenden Targets vor allem eins: Hochstapelei.
Wir vertreten jedoch die Meinung, dass ein solches Vorgehen wenig zielführend ist. Ganz gleich also, ob wir nun in einem Projekt die Käufer- oder Verkäuferseite vertreten: Wir ziehen es vor, die Stärken, aber auch die Schwächen des Unternehmens beim Namen zu nennen. Denn so geht niemand von falschen Voraussetzungen aus. Die Chancen auf einen Abschluss im Sinne unserer Auftraggeber sind jedenfalls höher, als wenn man – um beim zitierten Beispiel zu bleiben – eine Perle der deutschen Industriekultur verspricht, aber mit einem Sanierungsfall ums Eck kommt.
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